Inklusion stärken – Gesellschaft stark machen

Inklusion muss endlich als Gesellschaftsaufgabe verstanden werden


Von Moritz Behncke,
Vorsitzender OV-Einsiedlerhof

Die SPD-Fraktion im Stadtrat bringt eine Resolution zum Thema Barrierefreiheit im öffentlichen Raum ein. Ein Schritt, der längst überfällig ist. Dieser Antrag ist wichtig und bietet zugleich die Chance, sich einmal genauer mit dem Thema Inklusion zu beschäftigen.

Inklusion – das sollte der Zustand sein, in dem dieser Begriff längst überflüssig geworden ist. Ein Zustand, in dem Grenzen aufgehoben werden und eben einer, in der Individualität mit den jeweiligen Möglichkeiten etwas zählt, aber vor allem wertgeschätzt wird. Inklusion – das ist aktuell aber ein Tabuthema, zumindest wird es zu einem gemacht. Menschen mit Behinderung, ob geistig oder körperlich, Menschen mit anderer Herkunft, Menschen mit Sprach- oder persönlichen Barrieren werden aktuell von der Gesellschaft ausgeschlossen. Die Exklusion ist nach wie vor in vollem Gange. 

Doch eins ist an dieser Stelle klarzustellen und der Gesetzgeber, der ja zu recht das Bundesteilhabegesetz vor
Jahren schon verabschiedet hat, ist in der Pflicht: Inklusion funktioniert nur dann, wenn Barrierefreiheit gegeben ist – und nein, damit ist nicht nur die Rampe für Rollstuhlfahrer*innen gemeint. Es geht um so viel mehr. Denn, wo Räume und Orte, aber auch bspw. Kommunikationsmittel nicht barrierefrei sind, bleibt die Teilhabe am politischen, kulturellen, gesellschaftlichen Leben, in der Arbeitswelt und Freizeit verwehrt. 

Doch was ist Barrierefreiheit? Zunächst einmal: Barrierefreiheit nutzt uns allen: Menschen mit und ohne Behinderung, Senior*innen und Kindern. So hilft ein Aufzug Eltern mit Kinderwagen sowie alten und gehbehinderten Menschen gleichermaßen. Und was Menschen mit Lernschwierigkeiten benötigen – nämlich Texte in „leichter Sprache“ oder mit Bebilderungen – nutzt auch vielen anderen: Menschen, die wenig Deutsch sprechen, die nicht oder kaum lesen können oder sich an einem Ort nicht auskennen. 

Etwa vier Prozent aller Behinderungen sind angeboren. In den allermeisten Fällen löst ein Umstand die Behinderung aus, auch Unfälle können eine Ursache sein. So kann man also durchaus behaupten, dass jede*r irgendwann mal im Leben auf Barrierefreiheit angewiesen sein oder zumindest davon profitieren wird. Zu behaupten, dass Barrierefreiheit einen selbst nicht betreffe, ist also falsch.

Was muss aber getan werden? Wohnen, Mobilität, Gesundheitssystem und auch digitale Prozesse müssen künftig komplett barrierefrei sein. 

Dies muss dann auch, so wie es im Koalitionsvertrag steht, durch eine Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes verankert werden. Weiter sollen auch Dienstleistungsfirmen sich auf kurze Sicht umstrukturieren, um barrierefrei zu werden. Hierzu wird es von Seiten der neuen Bundesregierung auch Förderprogramme geben. Pressekonferenzen, Gesetzestexte, Verwaltungsleistungen – all das soll es künftig auch in Gebärdensprache geben. Zur Teilhabe gehören aber noch viele weitere Bereiche: Langfristige Integration in den Arbeitsmarkt durch kommende Technologien oder einen Mindestlohn für Menschen mit Behinderung, der höher als aktuell rund 1,50 €/h ist. 

Der Plan der Bundesregierung ist gut, Anträge wie der der SPD-Stadtratsfraktion sind wichtig. Doch die größte Hürde kann in der Gesellschaft nur gemeinsam genommen werden – durch den Abbau von Vorurteilen, das Ende von Distanz, Unwissenheit und Diskriminierung sowie den Beginn von Fürsorge, Gemeinschaft und Toleranz.