Gleichstellungspolitik

Interview mit Martina Schüler, Gewerkschaftssekretärin beim DGB-Westpfalz

Von Valerie Cegodaeva, Vorstandsmitglied SPD-Kaiserslautern

 

Valerie: Guten Morgen, Martina. Erzähl uns bitte zunächst, inwiefern du in deiner Arbeit mit der Gleichstellungsproblematik konfrontiert wirst.

Martina Schüler: Hallo Valerie, den größten Berührungspunkt mit Gleichstellungspolitik habe ich als Gewerkschaftssekretärin beruflich beim Thema Lohnungleichheit. Aber in allen Bereichen meiner Arbeit ist Gleichstellung in all ihren Facetten natürlich ein Grundgedanke, der immer mitschwingt.

 

Valerie: Gibt es eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Arbeitsleben und wie genau äußert sich diese? Inwiefern sind vor allem Frauen von ihr betroffen?

Martina Schüler: Ja, es gibt sowohl strukturelle Diskriminierung als auch konkrete Diskriminierungserfahrungen jeglicher Natur aufgrund des Geschlechtes im Arbeitsleben. Strukturelle Diskriminierung z.B. gegenüber Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das alle Lebensbereiche betrifft und auch vor dem Arbeitsleben nicht Halt macht. Diese strukturelle Benachteiligung von Frauen äußert sich unter anderem darin, dass Frauen viel häufiger im Niedriglohnbereich oder in Teilzeitarbeitsverhältnissen beschäftigt sind als Männer. Dabei darf man nicht vergessen, dass wir nicht nur von der strukturellen Benachteiligung von weiblich gelesenen Personen sprechen. Viele Menschen, die sich cis* oder trans* lesen und Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen möchten, sind in der Arbeitswelt auch von struktureller Diskriminierung betroffen. Ihre Erscheinungsform hat leider viele Gesichter. Diskriminierung von Frauen im Arbeitsleben kann sich auf sehr unterschiedliche Weise äußern: Die Frau holt Kaffee und räumt die Büroküche auf, man fällt ihr ins Wort und unterbricht sie, es gibt weniger Frauen in Führungspositionen, Frauen verdienen deutlich weniger bis hin zu sexualisierter Gewalt am Arbeitsplatz – was wiederum ein eigenes Kapitel für sich darstellt. 

 

Valerie: Spielt das Alter einer weiblichen Mitarbeiterin eine Rolle bei der Form der Diskriminierung? Welche Probleme erleben jüngere Frauen häufiger als ältere und umgekehrt?

Martina Schüler: Das Alter einer Person kann im Arbeitsleben allgemein bereits ein Grund für Diskriminierung sein. Im Bereich der Intersektionalität (Mehrfachdiskriminierung) gibt es sehr viele verschiedene Ebenen. Es kann nicht pauschal gesagt werden, ob bei einer Diskriminierungserfahrung einer älteren Mitarbeiterin die Diskriminierung aufgrund ihres Alters, der Tatsache, dass sie als Frau wahrgenommen wird, oder der Kombination aus beidem geschieht. Das hängt vom konkreten Einzelfall ab. Ich würde die Betroffenen hier in den Fokus stellen und denke für die Betroffenen spielt es weniger eine Rolle, in welcher Form oder aus welchem Grund sie diskriminiert werden, jede Diskriminierungserfahrung für sich ist bereits unzumutbar. Die Ausprägungen der Altersdiskriminierung, wie z.B. der Adultismus würden hier den Rahmen sprengen.  

 

Valerie: Ist die positive Diskriminierung bei gleicher Qualifikation eher Frau einstellen als Mann ein guter Ansatz, um gegen Ungleichbehandlung von Frauen vorzugehen?

Martina Schüler: Persönlich finde ich jeden Ansatz, der auf das bestehende Problem hinweist und es anzugehen versucht, legitim und er sollte angewandt werden. Das allein reicht jedoch nicht aus, es muss sich grundlegend etwas in unserer Gesellschaft und in unseren Köpfen verändern. Man muss die Ursache bekämpfen, nicht das Symptom. Das heißt, wir müssen endlich anfangen umzudenken.  

 

Valerie: Was muss sich deiner Meinung nach politisch tun, damit es mehr Geschlechtergleichstellung im Job, beim Lohn und in der Rente geben kann?

Martina Schüler: Ich beschränke mich auf das Wichtigste: Es gibt strukturelle Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes. Das muss man in der Politik endlich wahrhaben. Das bahnbrechende Urteil zum Thema Lohnungleichheit ist in diesem Jahr genau 40 Jahre her. Es geht viel zu langsam. Reine Willensbekundungen helfen nicht weiter. Man muss den „Gender-Pay-Gap“ (geschlechtsspezifische Lohngefälle) endlich abschaffen! Ein höheres Lohnniveau hat direkte Auswirkungen, da sich die Höhe der Rente an der Erwerbsbiografie bemisst. 

Und es heißt klare Kante gegenüber den erstarkenden rechten Kräften zu zeigen, die sich einen Staat zurückwünschen, in dem nicht nur die Rechte von Frauen beschnitten werden. 

Valerie: Vielen Dank für das Interview!